Für den Grenzübertritt in die Türkei benötigen wir eine knappe Stunde. Die Grenze wird auf beiden Seiten von vollbewaffneten Soldaten bewacht. Vom Zoll einen kurzen Blick ins Auto und der Stempel ist im Pass.

Wir fahren weiter entlang der ägäischen Küste, überqueren die Dardanellen, die Meerenge zwischen der Ägäis und dem Marmarameer, über eine gewaltige Brücke. Nach drei Jahren Bauzeit wurde sie Anfang 2022 eröffnet. Das Passieren kostet gleich mal 12,50 €.

Unser erster kurzer Stopp ist in Canakkale. Das Trojanische Pferd thront auf der Uferpromenade. Unzählige kleine Gassen. Ich schob etwas Panik, als wir uns durch diese mit dem Camper quetschten. Parken ist chaotisch. Unbeschadet haben wir den Besuch überstanden.

Es ist etwas schwierig entlang der Küste einen Stellplatz zu finden. In der Türkei sind Sommerferien. Die Camps sind eher für Zelte gedacht und mit Bungalows bebaut. Für freies Stehen ist einfach kein Platz vorhanden. Doch wir werden immer fündig, alles sehr einfach, aber ok.

Ich bin von den uralten Olivenbäumen fasziniert. Riesige Oliven- und Orangenplantagen säumen die Straßen. Farmer bieten ihre köstlichen Feigen an.

Wir besuchen zwei archäologische Ausgrabungsstätten, Assos und Pergamon (Bergama).

Da wir immer recht zeitig dort sind, haben wir die alten Steine fast für uns allein.


Wir verlassen die Küste und fahren an den Köycegiz-See. Eine gute Entscheidung. Die letzten 60 Kilometer sind kurvenreich, bieten herrliche Ausblicke auf das Bergpanorama, das Mittelmeer und später auf den See. Wir finden ein kleines Camp und werden von der Chefin herzlich empfangen und bekocht. Verständigung mit Händen und Füßen. Unsere SUP sind aufgepumpt und ab auf bzw. in den See. Die SUP sind eine Sensation, ein junger Mann probiert, seine Freundin traut sich nicht. Hier geht es familiär zu, uns gefällt es.

Der See ist geologisch gesehen jung. In der Antike gab es den See noch nicht (laut Wikipedia), er war eine Meeresbucht. Am südlichen Ufer grenzen schwefelhaltige heiße Quellen, dadurch ist der See auch leicht schwefelhaltig und herrlich warm.


Nach zwei Tagen verlassen wir das kleine Paradies. Unterwegs gönnen wir uns ein traditionelles Frühstück, Kahvalti. Was da alles auf den Tisch kommt: Menemen (ein Eiergericht mit Tomaten und Peperoni), Oliven, Plinse, Käse, Gözleme (Pfannkuchen gefüllt mit Spinat und Käse), gebratenes Gemüse mit Joghurt, Pommes, Brot, Pancakes, Gurken, Tomaten, Spiegeleier, Honig und türkische Marmelade und Tee. Lecker, aber viel zu viel.

Wir haben einen herrlichen Blick auf das Flussdelta mit dem ausgedehnten Schilflandschaften und Feuchtgebieten.  Obwohl es ein Schutzgebiet ist (Schildkröten und Vogelvielfalt) werden leider die Touristen aus den riesigen Hotelanlagen mit Booten in unzähliger Zahl dorthin geschleppt. Warum man dieses Gebiet nicht wirklich schützt und nur interessierte Vogelbeobachter dorthin lässt, ist uns unklar. An der Fähre, die wir nutzen, um den Fluss zu überqueren, starten die Boote mit Discomusik.


Wir haben uns einen dicken Nagel eingefahren. Ein Einheimischer zeigt uns eine Werkstatt. Oh je, hier sind mehrere kleine Werkstätten, zugemüllt mit einem Haufen Schrott. Der Teppichreiniger nimmt uns den Schlüssel ab, bringt das Auto in Position und sein Kumpel kommt mit Werkzeug und in 3 Minuten ist der Reifen, inklusive Reifendruck messen, repariert. Kosten: 5 €.


Wir wollen noch ein bisschen das Mittelmeer genießen, bevor es in die Berge geht. Doch so einfach ist das nicht. In Kemer finden wir einen netten Campingplatz. Wir fallen bald in Ohnmacht, als wir abends einen Spaziergang zum Strand machen. Hier ist alles in russischer Hand. Wir werden auf Russisch angesprochen, Reklameschilder in kyrillischer Schrift, ein Fake Markt an den anderen. Nichts wie weg von hier. Der Campingplatzinhaber, ein sehr angenehmer junger Mann, der sehr gut deutsch spricht, erzählt uns, dass jedes Jahr 5 Millionen Russen und Ukrainer nach Kemer kommen. In diesem Jahr rechnet man „nur“ mit  2 Millionen. Er erzählt uns auch, dass in den letzten zwei Jahren in der Türkei ein Campingboom ausgebrochen ist. Doch viele Campingplätze mussten Hotelkomplexen weichen. Kein Wunder, dass viele Camps überfüllt sind.

Wir finden doch noch ein nettes Plätzchen direkt am Meer. Eine Abkühlung ist das Wasser aber nicht.


Wir fahren weiter ins Landesinnere durch das Taurusgebirge. Die lange Fahrt vergeht wie im Fluge. In einem Restaurant machen wir Halt, um zu frühstücken. Als wir bezahlen, kommt der Chef: „Ihr sprecht deutsch? Wie ist das möglich?“ Wir wurden zum Tee eingeladen und er erzählt uns, dass er in der Bundesliga Ringer war.


Seit unserem Aufenthalt in der Türkei wundern wir uns, dass nur wenige Türken Englisch sprechen. Auch junge Leute nicht. Doch wo auch immer wir sind, irgendjemand spricht Deutsch und hilft uns. Türken, die in Deutschland leben oder gelebten haben.


Wir sind kurz vor der syrischen Grenze und bleiben im dschungelartigen Orient Camp. Wir sind allein hier. Der Besitzer lebte einige Jahre in den Niederlanden und ist ein genialer Tüftler. Dementsprechend ist sein Camp. Wir fühlen uns so wohl hier und bleiben drei Tage.

Es geht weiter nach Gaziantep. Wir besuchen das Zeugma-Mosaik-Museum. Die Ausstellung in einem modernen Gebäude, zeigt die größten und umfassendsten Mosaike der Antike, eingebettet in originalen Gebäuden, Mauerteilen und Säulen. Wir sind begeistert.



Anschließend schlendern wir über den Basar und tauchen in die Welt der Gewürze, Kupferartikel und Handwerkskunst. Ich lasse mir Türk kahvesi – türkischer Kaffee – schmecken. (Da lass ich doch glatt den geliebten Espresso stehen.) Jens bevorzugt Cay – schwarzer Tee.


Voller Vorfreude überqueren wir den Euphrat. Erinnerungen und Sehnsüchte aus dem Geschichtsunterricht kommen auf. Wir sind in Mesopotamien, dem Zweistromland, das Land zwischen Euphrat und Tigris. An einem Restaurant machen wir Halt. Am Nachbartisch ein türkisches Paar spricht uns auf Deutsch an und gibt Tipps. Einem folgen wir, Halfeti. Ich kann mein Glück kaum fassen! Wir stellen unseren Camper direkt am Ufer des Euphrat ab und unternehmen eine Bootstour.

Ein Einheimischer  macht uns ein Kompliment: „Wie kommt ihr hier her? Ihr seht nicht aus wie Touristen.“ Er erzählt uns ein wenig über Halfeti – das Dorf ist im Zuge der Flussstauung teilweise überflutet worden, der Wasserspiegel stieg um 40 Meter. Übriggeblieben sind ein paar zerfallene Häuser, der Turm der Mosche ragt noch aus dem Wasser. Rechts und links des Euphrats sind Relikte aus der frühchristlichen Zeit zu sehen.

Wir übernachten am Fluss, doch wir können kaum schlafen, es ist so heiß und es kühlt einfach nicht ab.


Unser nächster Stellplatz ist nicht ganz so idyllisch, aber wir haben alle Annehmlichkeiten: Strom, Toilette, „Dusche“, WLAN, Waschmaschine. Wir stehen im Garten eines Hotels inmitten der Stadt Katha. Der Inhaber nett und um unser Wohl besorgt.

Wir unternehmen eine vom Hotel angebotene Tour. Wir haben mal keine Lust zum Selbstfahren. So spektakulär wie angepriesen ist sie letztendlich nicht. Letzte Station ist der Nemrut Dagi, ein Berg mit einer Höhe von 2150 Meter. Wir werden bis fast zum Gipfel gefahren (anders wäre es auch fast unmöglich), weiter geht es etwa eine halbe Stunde per Fuß nach oben. Auf dem Gipfel sind Heiligtümer aus dem ersten Jahrhundert vor Christi zu sehen und man hat einen wunderbaren Blick über das weite Land. Leider wollen auch noch etwa weitere 500 Leute mit uns den Sonnenuntergang erleben - lautsingende Italiener, trinkende Türken, schreiende Kinder - eine fantastische Idylle.



Mardin, eine Stadt nahe der syrischen Grenze, wurde uns zur Besichtigung empfohlen. Wir überqueren den Tigris. Der Euphrat erstrahlt in Blau, der Tigris dagegen in Braun. Die Landschaft zwischen den Strömen, oder der fruchtbare Halbmond, so wie wir es im Geschichtsunterricht gelernt haben, ist immer noch fruchtbar. Weite Getreidefelder, es gedeihen Tomaten, Kartoffeln, Pistazien … Jedoch werden die Flüsse gestaut und es wird viel in die Bewässerung der Felder investiert.

Die Altstadt von Mardin liegt auf einem Hügel, bzw. die Häuser sind in den Hügel gebaut worden. Ein Irrgarten aus Gassen und Treppen, fast zum Verlaufen und wunderschön. Man fühlt sich in eine längst vergangene Zeit zurückversetzt. Oben angekommen, ist man wieder im Hier und Jetzt. Dort herrscht buntes Treiben, viele kleine Shops und Restaurants.


Wir stehen auf einem Platz, wo sich die Long-Time-Traveler treffen. Die Autos werden für die Weiterreise flottgemacht. Der Besitzer dieses Platzes ist dabei sehr hilfsbereit und fährt mit Jens und einem Paar aus England in die Werkstatt. Wir machen für Iran einen Ölwechsel.

Hier treffen wir auf eine junge Familie und Martin aus Deutschland, die auf dem Weg nach Indien sind. Wir wollen gemeinsam die Grenze in den Iran passieren, in der Hoffnung, dass alles zügig geht.


Unser nächstes Ziel ist der Vansee. Er ist der größte See der Türkei, siebenmal größer als der Bodensee und er liegt 1720 m ü.d.M. Die Fahrt dorthin ist wieder wunderschön. Daniel und Michaela, unsere Bekanntschaft aus Mardin, schicken uns ihren Standort. Sie stehen auf einer Landzunge direkt am See. Aber so einfach ist es nicht, mit unserem Camper dorthin zu gelangen. An einer Stelle kommen wir einfach nicht drüber – Schuld daran ist unser Schiebetritt. Daniel sieht uns, kommt und dirigiert halb auf dem Boden liegend. Anschließend musste der Einstieg repariert werden.

Das Wasser ist sehr sodahaltig, ähnlich einer Seifenlauge, das Wasser brennt in den Augen.

Wir genossen die leichte Abkühlung, endlich mal keine 40 Grad.


Nach dem Frühstück trennen sich kurzzeitig unsere Wege, wir wollen auf den Nemrut in den Vulkankrater. Der Namut Dagi (namensgleich dem Nemut Dagi in Katha) misst eine Höhe von 2995 Meter. Der Vulkan gilt als erloschen. Sein letzter Ausbruch war 1441. Ein bisschen mulmig war mir schon. In einer Patisserie vergewissere ich mich, ob wir da wirklich mit unserem Auto hochkommen. Für Jens ist das ja sowieso immer gar kein Problem … Grünes Licht und ab nach oben. Im Gegensatz zu Jens, bin ich bei solchen Fahrten völlig unentspannt. Nun stehen wir oben und beschließen hier zu übernachten. An einem der Seen ist so eine Art Naturparkwächter, der sechs Monate im Jahr hier oben in einer sehr einfachen Behausung lebt und Camper mit Tee versorgt und vor Bären „schützt“. Mit uns stehen noch zwei weitere Camper. Man versteht sich sofort und sie erzählen uns ihre Bärenstories der letzten zwei Nächte. Und auch an diesem Abend lassen die Bären nicht lange auf sich warten. Unbemerkt schleicht sich einer an. Der „Wächter“ sagt mehrmals zu mir: „No problem, very nice.“ Mit weichen Knien und in Begleitung hüpfen wir in unseren Camper und fühlen uns sicherer.

Am Morgen sehen wir Tatzen an unserem Auto und Bärenspuren im Sand. Der „Wächter“ meint, in der Nacht waren 10 bis 20 Bären da. Sie bewegen sich so leise, dass wir nichts hörten.

Leider ist es so, dass hier die Menschen keinerlei Natur- und Umweltschutzverrständnis haben. Nach einem Picknick sieht es schlimm aus, es wird nichts mitgenommen oder in den Müll geworfen. So werden die Bären angelockt und haben leichtes Fressen.



Wieder in Tatvan, lassen wir unseren Camper waschen. Wir setzten uns im angrenzenden Teeshop nieder und werden sofort zum Tee eingeladen. Einer ruft per Video seine Schwester an, die deutsch spricht, falls wir Hilfe benötigen. Jens fragt nach einem Copy-Shop, da wir noch unsere Krankenversicherung in Papierformat benötigen. Sofort springt ein junger Mann auf, geht mit Jens und zu guter Letzt bezahlt er auch noch. Diese Hilfsbereitschaft, die wir in der Türkei erfahren, ist unglaublich. Ein anderes Beispiel: Ich „kaufe“ zwei Fladenbrote und zwei Sesamkringel in einer Bäckerei und durfte nichts bezahlen.


Wir treffen uns wieder mit Daniel und Familie an einem anderen Ort am Van-See. 10 Kilometer Pistenstrecke liegen vor uns. Am späten Nachmittag packen wir auf Daniels Wunsch die SUP aus. Gute Entscheidung.

Nun müssen wir das Auto für den Grenzübertritt herrichten. Ich erfahre noch durch Jens ein Briefing, damit ich weiß, wo und was sich alles im Fahrzeug befindet. Es soll angeblich so sein, dass der Fahrzeughalter, in dem Falle ich, das Auto über die Grenze fahren muss. Passagiere werden separiert. Wir lassen uns überraschen.


Persönliches Fazit Liane: Die Türkei ist mit ihren Landschaften und hilfsbereiten Menschen ein wunderbares Land. Ich wusste zum Beispiel nicht, dass die Türkei zu 90% aus Gebirge besteht. Das Land ist viel moderner, als es uns suggeriert wird. Viele Frauen sind offenherziger gekleidet als ich. Im tiefen Südostanatolien natürlich nicht. Da ist mir schon wohler, wenn ich eine lange Hose trage. Moderne Wohnräume werden errichtet, manchmal scheint es ohne jegliche Planung. Ostanatolien soll attraktiver werden.

Über viele Dinge wundern wir Westeuropäer uns, was hier selbstverständlich ist. Der sorglose Umgang mit Wasser: Es gibt nirgends einen nichttropfenden Wasserhahn, Straßen, Grundstücke werden gewässert, es verschafft Kühle. Perfektionismus gibt es nicht, es muss funktionieren. Hauptsache es kommt Wasser aus der Dusche. Ob nun mit oder ohne Duschkopf, ob warmes oder kaltes Wasser – egal.

Es macht Freude Obst und Gemüse zu kaufen. Ich vertrage hier Feigen und Pfirsiche – keine Atemnot.

Nur wenige Leute sprechen Englisch, auch junge Leute nicht. Wenn man uns nicht versteht, kommt der Google-Übersetzer ins Spiel. Wir hatten überwiegend Kontakt mit Männern. Und auch ich als Frau konnte mit ihnen Tee trinken. (In den Teestuben sitzen ausschließlich Männer.) Ich habe noch nie so viel schwarzen Tee getrunken.


Persönliches Fazit Jens: Vier Wochen Türkei, 4000 Kilometer in einem wunderschönen Land. Den Norden haben wir noch ausgelassen. Faszination von früher Geschichte bis in die Gegenwart. Menschen mit Herzlichkeit von arm bis reich, von fleißig bis Müßiggang, immer hilfsbereit. Überall kleine Shops an den Straßen, jeder macht sein Business, jeder in seiner Geschwindigkeit. Für ein Glas Tee ist immer Zeit.

Türkei ein Land wo Wichtiges unwichtig und Unwichtiges wichtig wird. Ein Land, in dem Zeit einen richtigen Platz im Leben hat. Ein Land, das fasziniert.


Der ehemalige Ringer sagte bezüglich Glauben etwas sehr Schönes: Gott ist die Autobahn, die Straßen die davon abgehen, sind die Religionen.


Diesel bzw. Benzin – in allen Ländern sind die Preise günstiger als in Deutschland. An allen Tankstellen gilt der gleiche Preis: Egal ob Autobahn, Stadt oder Dorf, ob großer Ölkonzern oder freie Tankstelle.